Gedenkbuch

für die Kriegsopfer von Ober-Flörsheim

Zum Geleit

In der Mitte des Ober-Flörsheimer Friedhofs erhebt sich, inmitten einer Allee ehrwürdiger Lindenbäume, ein Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege. Es wurde 1927 von Georg Fauth III. (1855-1927), der ohne Nachkommen war, der Gemeinde zur Erinnerung an die Soldaten gestiftet, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Stilistisch orientierte sich der unbekannte Architekt am Expressionismus, einem in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg verbreiteten Kunst- und Baustil, der bewusst mit den architektonischen Konventionen des zu Kriegsende untergegangenen Kaiserreichs brach. Bei dem Denkmal handelt es sich um eine rund 3,60 Meter hohe vierseitige Granitsäule mit gezackten Rändern, die auf einem zweistufigen Sockel steht. An ihr sind dunkle Steintafeln mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs, nach Todesjahren geordnet, befestigt. 1954 wurden die Tafeln um die Namen der Kriegstoten des Zweiten Weltkriegs ergänzt. Die beiden Widmungsinschriften verzichten – im Gegensatz zu vielen anderen Gefallenendenkmälern unseres Raums – weitgehend auf eine Heroisierung der Toten. Auf der Vorderseite werden sie als „unsere[] Tote[] und Vermisste[] 1914-1918, 1939-1945“ bezeichnet, denen – so die Inschrift auf der Rückseite – als „Beschützer von Haus und Herd“ der Dank der Gemeinde galt. Der einzige bildliche Schmuck des Denkmals bildet ein aus der Vorderseite herausragender, verhältnismäßig kleiner Kubus in der Form eines Eisernen Kreuzes. Zum Ensemble gehören weiterhin ein Blumenbeet, ebenfalls in den Umrisses des Eisernen Kreuzes, das sich direkt an der Vorderseite befindet, ein Kameradengrab für Soldaten, die bei den Kämpfen zu Ende des Zweiten Weltkriegs in der hiesigen Gemarkung fielen, und das Grab des Denkmalstifters Fauth.
Seit fast einem Jahrhundert ist das Ehrenmal im Rahmen der Feierstunde am Volkstrauertag im November Zentrum des Gedenkens an die zahlreichen Toten und Gefallenen, die aus Ober-Flörsheim stammten bzw. deren Familien durch Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs hier eine neue Heimat fanden. Der 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs war auch für den Heimat- und Kulturvereins Anlass, die Erinnerung an die zahlreichen Menschen aus unserem Dorf wachzuhalten, die durch die beiden schrecklichsten Kriege der Menschheitsgeschichte ihr Leben verloren. Kaum eine Familie blieb hiervon verschont. Manche Eltern mussten sogar den Tod von zwei – in einem Fall von drei – Söhnen beklagen.
Nachdem 2014 anlässlich einer Ausstellung im Heimatmuseum die Lebensgeschichten der Gefallenen des Ersten Weltkriegs dokumentiert wurden (Informationen zu ihnen finden sich im ersten Teil dieses Gedenkbuchs), beschäftigte sich seit 2019 eine Arbeitsgruppe auf Initiative und unter Leitung von Wilhelm Nies mit den Schicksalen der Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Die Aufgabe, welcher der langjährige Beauftragte des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und seine Helferinnen und Helfer sich unterzogen, war wesentlich umfangreicher und schwieriger zu bewältigen als für die Zeit des Ersten Weltkriegs. Sie reichte von der Beschaffung von Bildern und Dokumenten, die sich im Besitz von Nachfahren befinden, über die Befragung von Zeitzeugen bis hin zu Recherchen in den Unterlagen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Wehrmachtauskunftstelle (WASt), den hiesigen Standesamtsregistern und anderen Quellen. Über die Herausforderungen, die hierbei – insbesondere während der noch andauernden Corona-Pandemie zu bewältigen waren, berichtet Herr Nies an anderer Stelle in diesem Gedenkbuch.
Fast ein Menschenleben ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. Nur noch wenige Ober-Flörsheimer haben die Gefallenen persönlich gekannt. Für andere ist das Ehrenmal ein Erinnerungsort an gefallene oder vermisste Väter, Großväter oder sonstige nahe Verwandte, die sie nicht kennenlernen durften. Ein Großteil der Betrachter des Denkmals hat mittlerweile keinen Bezug zu den meisten der aufgeführten Namen. Das vorliegende Buch will daher einen Beitrag dazu leisten, die Erinnerung an diese und andere Kriegsopfer – die beiden jüngsten von ihnen waren gerade 17 Jahre alt – „aufzufrischen“ und dauerhaft zu bewahren.
Namens des Heimat- und Kulturvereins spreche ich Herrn Nies und der Arbeitsgruppe sowie all denjenigen, die am Zustandekommen dieser Dokumentation beteiligt waren, herzlichen Dank und Anerkennung für ihre wertvolle Arbeit aus.

Dr. Helmut Schmahl
Vorsitzender

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